ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

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STOPPOK - Ausgefeilt

Stoppok weiß die eckige deutsche Sprache abzurunden.

Einige Musiker bauen ab, andere bauen auf, Stefan Stoppok gehört zur zweiten Sorte. Der Mann hat einen Lauf, und er weiß es. "Ich wünsche mir, dass es so weitergeht wie im Moment", sagt er. Seit Stoppok seine eigene kleine Plattenfirma Grundsound gegründet hat, habe er schon Druck verspürt, gibt er zu, dieser Druck hat ganz offensichtlich neue Kräfte freigesetzt. Seine aktuelle CD "W.e.l.l.n.e.s.s." ist ein großer Wurf, starke Sprachbilder werden in warmen Rock mit Folk-Einschlag eingebettet. So singt er Zeilen wie "Ein Wort von Dir und der Schnee, der schmilzt/und es wird Frühling, wenn Du es willst". (aus "Ein Wort") In "Tanz" beschreibt er ganz nebenbei ein schizophrenes Verhalten, das weit verbreitet ist: "Du machst auf cool und suchst Wärme / Du bist nah dran doch Du schaust in die Ferne." Schon das Vorgänger-Album, das er als Duo mit Bassist Reggie Worthy einspielte, zeigte ansteigende Form, obwohl "Grundversorgung" nur über Internet erhältlich war, fand es beachtliche 15.000 Käufer.

Mit dem Titelsong erreicht "W.e.l.l.n.e.s.s." einen weiteren Höhepunkt. Hier nimmt der Pott-Poet den grassierenden Esoterik-Wahn auf´s Korn. Es geht um den Imbiss-Betreiber Pommes-Erwin, der diesen neuen Trend erkennt. Darauf ernennt er seine Fritten zu Energiestäbchen, sein Kumpel Wellness-Werner macht aus schnöden Heizdecken Aura-Reiniger mit Strahlenschutz-Garantie. Resultat: Beide verdienen sich dumm und dämlich. "Früher hätten die Staubsauger verkauft, angesichts der Alternativ-Szene machen sie nun einen auf Wellness", lacht Stoppok sich schlapp, der Modetrends prinzipiell skeptisch gegenüber steht.

Während Popmusik häufig die Sache von jungen Künstlern ist, die keine eigene Meinung haben und älteren, die sich nicht trauen, sagt Stoppok, was er denkt. "Ich gehe das Risiko ein, Aussagen zu machen und darauf festgenagelt zu werden. Ich mach mir ständig solche Gedanken und ich trau mich auch, die zu sagen, denn das fördert Diskussionen, die bei Weicheiern nie zustande kämen", sagt er. In "Gladiatoren" kritisiert er beispielsweise die Siegermentalität, mit der die Mächtigen der Welt Schwächere traktieren; in "Viel zu schön" fordert er seine Hörer auf, nicht gedankenlos in der Herde mitzulatschen. "Die Industrie hat es geschafft, den Leuten zu suggerieren, dass es cool ist, angepasst und abhängig zu sein. Ist das ein schönes Leben? Nee, ist es nicht!" Andererseits weiß der Essener mit Wahlheimat Bayern schon, was er diesem Wirschaftssystem zu verdanken hat. "Es bietet mir eine unglaubliche Freiheit, die andere Systeme wohl nicht hätten. Trotzdem rege ich mich darüber auf, wenn viele als Idioten da stehen."

In der Verbindung von Text und Musik hat der Mann es zur Meisterschaft gebracht. Die Art und Weise wie seine Töne die Worte geradezu umarmen, straft alle lügen, die behaupten, die Eckigkeit der deutschen Sprache passe nicht zum Rock. Seine brüchig nasale Quengelstimme präsentiert starke Sprüche ohne jedes Muskelspiel. Hannes Wader nennt er ausdrücklich als Vorbild, überhaupt spielt der Folk auf "W.e.l.l.n.e.s.s." eine größere Rolle als auf den Stoppok-Alben der Neunziger. In seiner "Lehrzeit" war Stoppok jahrelang als Straßenmusiker umher gezogen, nicht selten in Begleitung irischer Kollegen, berichtet er. Ansonsten setzt er auf Siebziger-Jahre-Locker-Rock, der immer wieder mit Ry Cooder und Little Feat verglichen wird.

Seine Verse, nach denen sich die Mehrheit zwangsreimender Deutsch-Hip Hopper die Finger lecken würde, kämen ihm so zugeflogen berichtet er. Zur Seite stehen ihm dabei Co-Autoren wie Bernie Conrads (früher Bernies Autobahn Band) und Keyborder Danny Dzuik (auch in Dzuiks Küche tätig). Stoppok sieht sich als Moralisten und politischen Menschen. "Parteipolitisch war ich noch nie. Ich glaube daran, dass zwischenmenschliche Funken Dinge entzünden und bewegen können. Aber es muss Politik geben und ich bin der Meinung, dass die Grünen mit der Problematik von Klappe aufreißen und dann tatsächlich in der Funktion zu sein, offen umgehen. Das find ich gut. Überhaupt lassen sich in unserem System nur Kleinigkeiten korrigieren", sagt er leicht resigniert.

Bei Stoppok folgt einer ernsten Aussage, freilich stets eine verschmitzte Bemerkung. Sein Ruhrpott-Humor ist in Bayern nicht verschwunden. "Den verliert man nicht, der wird in Bayern eher geschärft. Es gibt ja nichts schöneres als mit Bayern da zu sitzen und sich gegenseitig einzuschenken." Stoppoks Witz kommt schrankenlos an, im Osten sind seine Konzerte genauso ausverkauft wie im Westen. "Denen sage ich, ihr braucht euch erst seit dem Mauerfall mit westlicher Arroganz rumschlagen. Ich mach das schon mein Leben lang."

Henning Richter

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