ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

zurück

Panda

„Wenn ick berliner´, hab ick jute Laune“, verrät Pandas Anna Fischer. Gemessen daran muss die temperamentvolle Frontfrau mit der Ramones-Frisur in jüngster Zeit durchgängig Bombenlaune gehabt haben. Auf dem Album „Tretmine“ entpuppt sie sich als geistige Enkelin von Claire Waldoff, die einen Gassenhauer nach dem anderen schmettert, musikalisch angetrieben von zündendem Sixties-Brit-Pop. Die Texte des singenden Knallkörpers, kompakte 1,60 m groß, verbinden Unverfrorenes mit purem Spott, Scharfzüngiges mit warmem Charme und sind dabei stets auf der Höhe der Zeit. Kleine Kostprobe gefällig? „Ihr seid so verlogen / und so ichbezogen / und dit nich ma heimlich / is euch dit nich peinlich / jeht kacken / ihr alle die´s nich ehrlich mit mir meint / jeht kacken“, heißt es etwa in der Singleauskopplung „Jeht kacken“. Auch in „Fresse“ geht sie deftig zur Sache: „Halt die Klappe / halt dit Maul / halt die Fresse / halt die Schnauze / kannst du dir ma verpissen / dein Scheiß will keener wissen / und dit sagt dir Panda / heute is nüscht mit Mundpropaganda“.

Das erste Treffen von Anna und ihren Jungs fand auf einer Fete statt. Die Band der beiden Gitarristen Chris Lippert und Sascha Niemann, von Basser Christopher Brandt und Trommler Oskar Alpen rockte das Haus. Als Zugabe klinkte sich Anna für eine Jam Session ein. „Von Anfang an haben wir gemerkt, da geht was“, erinnert sich Chris, „Anna meinte, sie hätte noch ein paar Texte auf Lager. Ja, super! Es ging gleich gut los!“ Guter Rat kam zudem von Rod Gonzales (Die Ärzte), der Panda jede Menge Tipps zur Vervollkommnung ihres klassischen Sechziger-Jahre-Sounds gab. „Wir vereinen Einflüsse von Beatles, Yardbirds, The Who mit modernem Pop. Doch das Wichtigste für uns ist natürlich, diese direkte Art von Anna zu unterstützen“, betont Chris.

Annas „direkte Art“ reicht von unbekümmertem Krakeelen über rotziges Protestieren und bissiger Selbstkritik bis zur süßen Liebeserklärung. „Viele Dinge, über die ich schreibe, finde ich im Alltag. Aber ich denk mir auch Sachen aus und überspitze sie“, beschreibt sie ihre Arbeitsweise. „Wenn nur einer das Gefühl hat: ,Genauso geht´s mir auch!‘, freu ich mich wahnsinnig. Dann weiß ich, ich bin nicht allein. An diesem Punkt kommen wir mit dem Publikum zusammen - und darum geht´s.“

Mit „Tretmine“ gibt Anna Fischer ihr Debüt als Panda-Röhre, doch als Schauspielerin besitzt sie bereits einen guten Namen. Im Alter von 15 spielte sie ihre erste Fernsehfilmrolle in der Kultserie „Berlin, Berlin“; trat als Glatzenmädchen in „Die Wolke“ auf; bekam 2006 den Max-Ophüls-Preis und gewann 2007 die Goldene Kamera als beste Nachwuchsdarstellerin. Demnächst wird sie im Kinofilm „Fleisch ist mein Gemüse“ zu sehen sein. „Schon mit elf war ich in einer Kinder-Girl-Group. Später als Jugendliche arbeitete ich an einem Musical, ich hab eigentlich immer Musik gemacht. Die Schauspielerei kam erst später“, berichtet sie. „Sicher, mit der Filmerei verdient man gutes Geld, mit Musik ist der Verdienst eher ungewiss. Aber ich mach´ Musik ja nicht wegen der Kohle, sondern weil ich Bock drauf hab´!“

Auch die Jungs sind keine unbeschriebenen Blätter, Sascha hatte seinen ersten Plattenvertrag schon mit 19 in der Tasche, Christopher kann bereits auf diverse ehemalige Bands zurückblicken, Chris und Oskar spielten lange Zeit im Landesjugendjazzorchester Brandenburg. Als Panda rockten sie die Clubs zusammen mit den Fratellis und Maximo Park. Während ihrer 15-Städte-Tour mit Rosenstolz lernten sie das Gefühl kennen, riesige Open-Air-Bühnen zu bespielen. Apropos Pop-Prominenz, auf Anfrage von Ich + Ich machte Anna übrigens in deren Video „Vom selben Stern“ mit.

Panda und Berlin sind untrennbar miteinander verbunden und so ist „Hierbleiben“ eine Ode an ihre Stadt. „Ick kann dir nich lassen / bist mir viel zu dolle ans Herz jewachsen / kenn dir schon so jut, dass es langsam weh tut / würd dir jern den Rücken zeigen / aber irgenwat sagt: hierbleiben“. So eine ehrliche und charmante Liebeserklärung hat die Stadt an der Spree schon lange nicht mehr bekommen. Dieses Gefühl kann jeder nachvollziehen, ganz egal, welchen Ort er Heimat nennt. „Wenn ihnen jemand so direkt ins Gesicht berlinert wie Anna, sagen selbst knallharte Bayern oder Schwaben: ,Das hat was!‘“, weiß Chris Lippert von den Panga-Gigs im Süden. „Das Entscheidende ist die Message, und die kommt rüber. Die Leute, die uns nicht verstehen wollen, sind genau die Leute, über die wir meckern. Zu denen sagen wir: Jeht kacken!“

Henning Richter

zurück