ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

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JUSTIN SULLIVAN (New Model Army) - Zurück zur Natur

Auf seinem Solo-Album widmet sich New Model Army-Gründer Justin Sullivan ganz der Schönheit von Meer, Licht und Sternen.
„Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den Deutschen und meiner Band“, antwortet Justin Sullivan auf die Frage, warum New Model Army hierzulande ungebrochen populär sind, „beide sind romantisch und direkt.“ Gegründet zu Beginn der Achtziger Jahre, wurden die „Raw Melody Men“ mit ihrer Musik aus Trotz und Melancholie, aus politischem Kampf und tiefer Sehnsucht, zu Favoriten der deutschen Rockfans. Auch im neuen Jahrtausend spielen die Mannen aus Bradford auf den großen Festivals und füllen mittelgroße Hallen.
Vor kurzem erschien mit „Navigating By The Stars“ das erste Solo-Album von Justin Sullivan, der freilich nach wie vor Mitglied der Band ist, die er ins Leben rief. „Ich wollte mich in kreativer Hinsicht nie festfahren, so bin ich stolz darauf, dass alle NMA-Alben so verschieden sind“, sagt der Rockpoet. „Seit ein paar von Jahren denke ich über ein Solo-Album nach, denn ich hatte Songs, die wirklich nicht zur Band passten.“ Seine neuen Lieder sind ruhig, eindringlich, atmosphärisch und romantisch. „Die Hälfte handelt vom Meer. Ich liebte es immer, an oder auf der See zu sein, das gibt einem eine Vorstellung vom unendlichen Raum. Es ist auch ein visuelles Ding, die Bewegung und das nie endende Spiel von Licht und Wasser ist der schönste und inspirierendste Anblick, den ich kenne“, sagt Sullivan um darauf zu verraten, dass er seine erste große Seereise plane, die Überquerung des Atlantiks von Europa nach Amerika auf einem Frachtschiff.
Mit raunender Stimme, die zeitweilig Leonard Cohen ähnelt, besingt Sullivan die Schönheit der Natur, die kämpferischen Parolen spart er sich für seine Band auf. „Es ist für Leute, die lange politisch arbeiteten, nicht ungewöhnlich, sich der Mystik zu zu wenden“, meint er verschmitzt. „Ich wollte eine Platte machen, die nur schön ist, die keinerlei Angst enthält. Es schien eine logische Antwort darauf, was in dieser Welt passiert, über eine andere, schöne Welt zu berichten. Das ist natürlich auch eine politische Reaktion. In einer Zeit, in der so viel Zorn, Grausamkeit und Hässlichkeit hoch gekocht wird, bin ich instinktiv in die andere Richtung gegangen.“
Er sei gern allein in der Natur, berichtet der charismatische Kopf, doch Einsamkeit würde er fürchten. Seit über zwanzig Jahren ist Justin Sullivan mit der Autorin Joolz Denby zusammen. (Zwei ihrer Romane sind übrigens auch ins Deutsche übersetzt.) Beide sind im ständigen Gespräch über ihre Arbeit. Viele seiner Anhänger würde gerne hören, was er zu diesen kriegerischen Zeiten zu sagen hat, vermute ich. „Ich habe bereits vorher so viele Songs zum elften September geschrieben, dass ich keine Notwendigkeit sah, noch einen zu schreiben. Ich habe das kommen sehen und viele unserer Lieder handeln davon“, verweist er auf seinen Songkatalog. „Vielleicht werde ich dieses Thema beim nächsten Album der NMA wieder behandeln.“
Für „Navigating By The Stars“ setzte Sullivan hauptsächlich auf akustische Instrumente. „Es ist eine tiefe, vielschichtige Musik, nicht nur ich mitsamt Gitarre. Ich wollte einen menschlichen, organischen Klang kreieren.“ Zu seinen Mitstreitern gehörten u.a. der legendäre Kontrabassist Danny Thompson (u.a. Talk Talk, Kate Bush, Pentangle) und Multi-Instrumentalist Ty Unwin, der auf die Musik von Dokumentarfilmen spezialisiert ist. Zwischen ihrer Arbeit am Solo-Album Sullivans und den Liedern seiner Band gibt es trotz unterschiedlicher Arbeitsweisen eine Gemeinsamkeit, den Hang zur Melancholie. „Melancholie ist ein Teil von jederman“, lacht er. „Jeder ist eine Mischung, niemand ist ständig sauer, niemand ist standig melancholisch. Wir alle haben verschiedene Phasen, die wir durchleben.“ Zum Schluss noch die Frage, was glaubt er, wie werden die Fans seiner Band auf diese CD reagieren? „Ich hab immer gedacht, alle Künstler sollten nur sich selbst und ihrer persönlichen Vision ehrlich gegenüber sein. Obwohl diese Platte sich sehr von den NMA-Alben unterscheidet, hat sie das gleiche Gefühl von Ehrlichkeit, Emotionalität und Seele. Trotz der Politik und Macht von NMA hat es immer einen starken Sinn für Mystik und Spiritualität gegeben, und das ist auch der zentrale Kern meines Albums.“

www.newmodelarmy.org

Henning Richter

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