ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

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Clueso - Der Rückkehrer

Vom Rapper zum Singer/Songwriter - alles, was Clueso interessiert, ist "Gute Musik".

Geboren wurde er 1980 als Thomas Hübner. Fünfzehn Jahre später entdeckte er den Musiker in sich und nannte ihn Clueso, nach dem schusseligen Kommisar im Film "Pink Panther". Seine erste musikalische Liebe war Hip Hop, anfangs mit EFP 96 (Erfurt Projekt 1996), später mit den Wostok MC´s. 1998 brachte er seine erste Indie-Produktion "Clüsolo" heraus, dann zog er nach Köln, wo er als Produzent, Remixer und Songwriter arbeitete. 2001 kam sein Debütalbum "Text und Ton" heraus, das noch sehr rap-lastig ausfiel. 2002 zog er zurück nach Erfurt und baute das Kreativ-Kollektiv Zughafen auf, das sich inzwischen um eine ganzen Haufen junger Talente kümmert. In diesen Tagen erscheint nun sein neuer Dreher "Gute Musik", auf dem Rap nur noch ein Stil von vielen ist. Daneben gibt´s Funk, Soul, Rock, Blues und Pop. Inzwischen zum eigenständigen Singer-Songwriter gereift, erzählt er mit seiner leicht belegten, melancholischen Stimme Geschichten aus seinem wundersamen Alltag. M&R traf den agilen Erfurter in den Räumen seiner Berliner Plattenfirma direkt an der Spree.

M&R: Du bist aus dem Westen in den Osten zurück gezogen. Das kann man wohl Ausnahme der Regel nennen.

Clueso: Damals bin ich aus der Kleinstadt in die Großstadt. Da hab ich viel ausprobiert. Zu uns ins (Kölner) Studio sind damals viele Leute aus Erfurt und Thüringen gekommen, deswegen dachten wir, wir können auch wieder zurück gehen. In Erfurt fühl ich mich Zuhause, alles ist so überschaulich. In einer Großstadt kann man sich schnell auspowern und den Biss verlieren.

M&R: Was unterscheidet den Westen vom Osten?

C: Im Westen lernt man Leute sehr schnell kennen. Sie docken schnell an und zapfen einem Energie ab. Du lernst jemanden kennen, reißt ´ne dicke Small-Talk-Mauer ein und dahinter ist ´ne arme Wurst. Im Osten quatscht man die Leute nicht so schnell an, aber wenn man sie kennenlernt, öffnen sie sich und haben nicht so eine Angst, die Kontrolle zu verlieren wie die Leute in Köln.

M&R: Was geht in Erfurt musikmäßig?

C: Da passiert eine Menge, genau wie in anderen Städten auch. Im Osten bilden sich Strukturen, es gibt jetzt auch mehr Druck, Sachen fertig zu machen. Es gibt jetzt Leute, die sagen: An dem Tag ist Abgabe-Termin. Das gab´s früher nicht. Wir sind eine Anlaufstelle für Talente. Bei uns gibt es die Philosophie des offenen Kühlschranks. Wir sagen, die Leute können sich frei bewegen, Hauptsache sie bewegen was.

M&R: Spiegeln die Songs von "Gute Musik" dein Leben in der neuen, alten Heimat wider?

C: Ja, die neuen Lieder sind in Erfurt entstanden. Viele sind aus der Ich-Perspektive geschrieben und handeln von meiner Selbstfindungsreise. Ich betrachte den Charakter Clueso in mir als getrennte Person, auch aus Sicherheitsgründen, denn wenn es um Clueso geht, geht es nicht um mich. Der Typ ist direkter als ich im Leben. Ich bin zwar sehr geradeaus, aber bei mir dauert es länger bis ich etwas sage.

M&R: Deine Stimme hat oft einen leicht schwermütigen Unterton. Bist du bekennender Melancholiker?

C: Nee, aber ein nachdenklicher Mensch. Ich schwanke zwischen extremer Nachdenklichkeit und totaler Leichtigkeit und Kindlichkeit. Deswegen geht´s mir gut und schlecht zur gleichen Zeit - dabei halte ich immer die Mitte.

M&R: Wie wichtig ist Hip Hop für dich heute?

C: Das ist verschieden. Ich hab kaum Idole, weil ich mich in der Hauptsache mit der Musik beschäftige, die ich mache. Wenn ich Musik höre, frag ich mich, warum welcher Stil funktioniert. Wenn ich kapiert hab, warum das so ist, bewege ich mich weiter. Ich hab keine Musik zu Hause bei mir, ich habe aber ein sehr musikalisches Umfeld, aus dem ich viel mitnehme. Ich stehe auf ehrliche Musik, auf Rap, Hip Hop, Funk und Soul. Als Produzent habe ich aus diesen Genres meine Samples bezogen.

M&R: Wie bitte, Du hattest niemals Idole unter den Hip Hoppern?

C: Ich find bestimmte Leute cool, aber ich bin mittelpunktssüchtig und hab gesehen, dass ich selber an den Start komme, um meinen Scheiß zu präsentieren.

M&R: Welche Texter interessieren dich?

Hildegard Knef und Udo Lindenberg. Auch Manfred Krug find` ich cool.

M&R: Wie kam´s zur Zusammenarbeit mit der Jürgen Kerth Band?

C: Ich kenne seinen Sohn, der eine Band namens Akustica hat. Der hat mich mal gefragt, ob wir was zusammen machen wollen. Meine DJs sind Platten-Liebhaber und checken unsere Roots ab. Ich kannte zwar Kerths Namen, aber ich hab Jürgen Kerth erst später kennen gelernt. Er gilt als Erfurter Blues-Legende und "Jimi Hendrix von Thüringen" (lacht). Ich hab Lieder von ihm gehört und eine Seelenverwandschaft entdeckt. Er redet sehr geradeaus und hat seinen Spirit aus der Großstadt zurück in die Kleinstadt getragen. Sein "Nacht unterwegs" hat mich auf Anhieb angesprochen. Kerth kam mit seinem früheren Keyboarder Lothrix und hat den Song in zwei Stunden reingemetert. Das ist ein Typ, der keine Scheiße labert.

M&R: Welche Geschichte steckt eigentlich hinter dem Song "Pizzaschachteln"?

C: Pizzaschachteln sind ein Symbol für meine Generation, die damit aufwächst sowie den ganzen, anderen Konsumgütern. Bei Leuten, die etwas bewegen, sieht es Zuhause immer scheiße aus, bei denen herrscht immer Chaos, bei denen liegt Staub auf dem Boden.

M&R: Hast du einen bürgerlichen Beruf erlernt?

C: Ja, Friseur. Da denken viele Leute an Thomas D. von den Fantastischen Vier. Allerdings hab ich mich nie als Friseur gesehen. Ich habe einen Hauptschulabschluss und wollte was Kreatives machen. Am Ende hab ich die drei Jahre durch gehalten, aber hab die Prüfung dann nicht zuende gemacht. Immerhin kann man in dem Beruf viel über Menschen lernen...

Henning Richter

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